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Einfach über die Mauer hinwegschauen? – Überlegungen zum Buch „Mauerpost“

In dem Buch „Mauerpost“ wird von einer Brieffreundschaft erzählt, welche über die Mauer hinweg führt. Dabei erfahren wir als Leser*innen viel über die beiden Hauptprotagonistinnen und ihr Leben, aber auch mehr über die Geschichte der DDR und der bevorstehenden Wende. Somit wird die deutsche Geschichte mit persönlichen Ansichten und Meinungen und natürlich dem Erwachsenwerden verbunden.

Ich möchte mich in diesem Beitrag damit auseinandersetzen, inwieweit die Geschehnisse rund um die Wende und die allgemeine Situation davor sich mit dem Aspekt verknüpft, dass sich die Hauptprotagonistinnen nicht nur politisch sondern auch körperlich und seelisch in einer Umbruchsituation befinden.

Zunächst unterscheiden wir in dem Buch zwei spezifische Themengebiete. Zum einen das Erwachsenwerden und zum anderen die politischem Entwicklungen der DDR kurz vor 1989. Beginnen wir mit der Lebenswelt der Protagonistinnen.
Anhand des Briefwechsels tauschen sich die Mädchen über ihre innere sowie äußere Lebenswelt aus. 1 1/2 Jahre vor dem Mauerfall beginnt die Brieffreundschaft. In dieser Zeit bauen sie relativ schnell eine enge Vertrauensbasis auf, wodurch sie viel über das Leben der Anderen erfahren, wie bspw. die familiäre und schulische Situation, der erste Kontakt mir Jungs und Probleme mit Mobbing. Dennoch ist jedes Erlebnis mit den politischen Begebenheiten verknüpft. Natürlich müssen diese genauer erläutert und dargestellt werden, da weder Ines im Westen über die Umstände in der DDR Bescheid weiß, noch die Leser*innen. Somit hat jede Situation die Julia erlebt, immer einen faden Beigeschmack von politischer Ordnung und damit verbundenen Einschränkungen, die Ines so nicht kennt oder erlebt.

Ines erlebt jegliche Auseinandersetzungen mit ihrem Vater, oder gemeinen Mädchen an ihrer Schule eher so, wie sie die meisten Leser*innen bestimmt auch schon erfahren haben. Eben einfach unberührt und frei. Erwachsenwerden ist in diesem Falle etwas ganz normales. Sie bekommt nur nebenbei etwas von der Mauer mit, dennoch spielt sie für Ines keine große Rolle. Somit schlägt Ines sich mit zwei gemeinen Mädchen an ihrer Schule rum, mit dem Problem nicht gern zur Schule zu gehen und der Angst verwiesen zu werden, den ständig wechselnden Beziehungen ihres Vaters und ihrer Mutter, die sich nur für ihre Noten zu interessieren scheint. Am Rande bemerkt sie besonders durch die Brieffreundschaft was sich in der DDR abspielt.
Demgegenüber steht das zentrale Familiengeheimnis, welches Ines und Julia gemeinsam erforschen. Angeleitet von Oma Ursel, welche Ines Oma ist und für Julia eine Art Oma-Figur darstellt, hinterfragen die Mädchen, wieso Ines Mutter keinen Kontakt mehr zu ihr hat, sich weigert je wieder in den Osten zu reisen und inwieweit das Zusammenbringen der Mädchen durch eine Brieffreundschaft zufällig war.

Wie ich bereits angesprochen habe, ist jede Situation die Julia erlebt, von politischen Ereignissen geprägt. Die Umstände in der DDR werden immer mysteriöser. Allgemein lebt sie sehr nach den Regeln des Staates. Sie ist ein FDJ-Mitglied, geht regelmäßig zum Schwimmtraining und benimmt sich immer so, wie es von ihr erwartet wird. Doch je mehr sie mit Ines in Kontakt steht und bemerkt, wie sich ihr Leben verändert, stellt sie die Geschehnisse und politischen Regeln der DDR immer mehr in Frage. Besonders zu ihrem Vater hat sie ein schlechtes Verhältnis, da dieser dem Staat treu bleibt und jegliche Abweichungen nicht duldet. Ihre Mutter scheint sich aus dieser Thematik rauszuhalten, lehnt sich aber im weiteren Verlauf der Geschichte immer mehr gegen ihren Mann auf. Auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin wird durch die politische Ordnung auf eine harte Probe gestellt. Sie und ihre Eltern wollen die DDR verlassen, haben einen Antrag gestellt und müssen, so wie auch Julia, erfahren, was es bedeutet, der DDR den Rücken zuzukehren. Julia bemerkt, dass die Mauer doch eine große Rolle in ihrem Leben spielt und diese nicht weiter ignoriert werden kann. Je weiter sie sich mit dem Geheimnis rund um Ines Mutter beschäftigt, desto mehr lehnt sie sich gegen das Regime auf, trifft eigene Entscheidungen, trennt sich von alten Ansichten und von ihren Eltern. Es nicht absolut natürlich, dass man eines Tages dem Elternhaus entflieht, doch bei Julia passiert dies auf sehr abrupte und harte Weise, was sie sich bestimmt auch anders vorgestellt hat.

Durch die Brieffreundschaft kommt Ines immer mehr in Kontakt mit Julia und somit der DDR. Sie informiert sich mehr darüber, harkt bei ihrer Mutter nach, darf bei einem Radiosender eine Sendung führen, welche Julia heimlich in der DDR hört und beteiligt sich an Demonstrationen und kämpft gegen ein Regime, welches ihr früher nichts bedeutet hat.

Die historischen Umbrüche verknüpfen sich mit den Umbrüchen in den Leben der Protagonistinnen. Besonders betroffen ist davon Julia. Für sie steht eine völlige Neuorientierung bevor. Die von der DDR vorgegebene Linie, ist plötzlich durch einen Satz niedergeschlagen worden. Sie bemerkt, was das Regime aus ihr gemacht hat und beginnt sich selbst ein Bild von allem zu machen. Sie war nie eine linientreue Verehrerin der DDR, sie hat so gelebt, wie es ihr beigebracht wurde. Doch jetzt, wo sie bemerkt, was mit Gegner*innen der DDR passiert und wozu die Menschen in der Lage sind, stößt sie immer mehr an ihre Grenzen. Ein Land aufgeteilt in zwei, bedeuten gleichzeitig zwei komplett unterschiedliche Welten. Eine normale Entwicklung ist für Julia so nicht möglich.

Ines hat demgegenüber nicht mit dem Regime der DDR direkt zu kämpfen, sondern mit den Folgen der Geschehnisse, die ihre Mutter durchleben musste. Diese konnte zwar aus dem Land fliehen und muss somit nicht mehr in der DDR leben, doch die DDR wird immer weiter in ihr leben.

Die Darstellung des Inneren der Protagonistinnen und der damit verbundenen Darstellung der Erlebnisse der innen und äußeren Welt, werden durch die Erzählform unterstützt. Anhand des Briefdialogs können Erlebnisse von der Person reflektiert und wiedergegeben werden. Anders als im direkten Dialog können die Protagonistinnen ihre Situation erst verarbeiten, überdenken und einen Blick in die innere Gefühlswelt gewähren. Dadurch kann die Person besser verstanden werden und die Ansichten und Ereignisse können mit allen wichtigen Details wiedergegeben werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Autorinnen des Buches den politischen Hintergrund der Geschichte mit der Entwicklung der Protagonistinnen über einen recht langen Zeitraum sehr gut verknüpft und aufgenommen haben. Beiläufig erfahren die Mädchen und damit auch die Leser*innen mehr über die politische Situation und die Umstände in denen sich die Mädchen befinden. Ines absolut bekannte Entwicklung in der Pubertät weist Probleme auf, mit denen sich bestimmt viele derLeser*innen bereits beschäftigt haben. Demgegenüber steht Julia, welche ebenfalls eine typische Entwicklung durchmacht, aber deren Umstände noch unbekannt erscheinen. Somit berichtet sie über ihr Leben in der DDR und es stellt sich heraus, dass ihre Entwicklung durch die politischen Umstände und Umbruchsituationen geprägt und gehemmt wird. Somit wird die politische Situation bzw. die deutsche Geschichte besonders um den Mauerfall, in das Leben verankert und dargestellt, wie sich das für uns typische pubertäre Leben und die Phase des Erwachsenwerdens, für Julia in der DDR abspielte und verlief.

Mia

Für die Bearbeitung des Beitrags habe ich Literatur herangezogen:
https://www.grin.com/document/81784 letzter Zugriff am 08.07.2020
Kuschliges Mauerfall und Wende

Dugaro, Maike ; Ustorf, Anne-Ev: Mauerpost. München: cbm Kinder- un Jugendbuchverlag 2019



Eine Antwort auf „Einfach über die Mauer hinwegschauen? – Überlegungen zum Buch „Mauerpost““

  1. Die Rezension zu dem Buch „Mauerpost“ finde ich sehr gelungen. Es wird in der Rezension auf die zwei Protagonisten und ihrer Lage im Westen und im Osten eingegangen und wie das Buch also gleichzeitig die Unterschiede darstellt. Die gegenüberstellende Darstellung des Lebens in dieser Zeit kann mit der des Bilderbuches „Hübendrüben“ aus dem Blog Ost/West im Kinderbuch verglichen werden. Auch da wird von zwei Perspektiven das Leben der Kinder dargestellt. Der direkte Vergleich ist denke ich oft eine hilfreiche Methode, um das Leben und die Unterschiede darzustellen aber auch gefährlich, da es nur einen kleinen Ausschnitt zeigt und nicht verallgemeinert werden sollte. Bei der Anwendung in der Schule würde ich also auf diesen Punkt eingehen.

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