Leben mit einer Mauer – Befragung von Zeitzeugen

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Das Leben in der DDR war und ist keine fiktive Welt, sondern die reale Vergangenheit. Anhand der Bücher haben wir verschiedene Einblicke und Perspektiven über das Leben mit der Mauer kennengelernt. Doch um noch besser verstehen zu können, habe ich mich mit zwei Zeitzeugen über ihr Leben damals zwischen Ost und West unterhalten.

Barbara H., 53 Jahre alt, lebte damals in Münster, also im Westen Deutschlands.

„Die Mauer war damals schon errichtet. Sie war quasi immer da, also gehörte immer schon zu meinem Leben dazu. Dennoch hat sie mich daran gehindert meine Verwandten in der DDR zu besuchen. Jedoch habe ich dies als nicht relevant betrachtet, da ich einfach keine Bindung zu ihnen hatte. Trotzdem empfand ich die Mauer und die Zeit der DDR sehr beängstigend. Menschen wurden ihrer Freiheit beraubt und wofür steht die Abkürzung „Deutsche Demokratische Republik“, wenn dort kein Funken von Demokratie herrschte?
Meine Mutter schickte immer Päckchen mit Westware für meine Verwandten in die DDR (also Kaffee, Zeitschriften und ähnliches). Dennoch hätte ich keine Kontakte in den DDR gepflegt. Ich hätte zu viel Angst gehabt, dass die Bürger wegen der strengen Vorschriften meinetwegen Schwierigkeiten bekommen könnten. Ich bin nur ein oder zwei Mal mit meiner Mutter in den Osten gefahren. In ein kleines Örtchen in der Nähe von Berlin. Wir wurden natürlich an der Grenze kontrolliert und durchsucht. Dies kam mir sehr skurril vor. Aber es war nunmal diese Zeit. Ansonsten hat die DDR meinen Alltag nicht weiter beeinflusst. Jeder hat sein Leben gelebt. Klar haben wir im Fernsehen viel mitbekommen, was dort vor sich geht. Aber es war wie eine andere Welt. Eines Tages, ich war glaube ich 13, da habe ich davon erfahren, dass mein Onkel den Osten verlassen hat. Er floh durch die Ostsee. Er musste mehrere Kilometer schwimmend zurücklegen. Viel mehrere Details wusste ich aber auch nicht, da die Angst bestand, dass die Stasi uns ebenfalls befragen wollen würde. Dennoch hat mich der Mut sehr beeindruckt. Andererseits musste er auch sehr hilflos und verzweifelt gewesen sein, denn er hat damit ja auch sein Leben aufs Spiel gesetzt.

Als dann 1989 die Grenzen geöffnet wurden, saß ich mit meinen Freunden und meiner Familie vor dem Fernseher. Wir haben es live miterlebt. Ich habe mich sehr für die Menschen gefreut. Sie sahen so glücklich aus.

Ich halte es für sehr wichtig, dass über die Zeit der DDR und der Mauer berichtet und geehrt wird. Es ist ein Stück deutsche Geschichte, über die man Bescheid wussten sollte, wenn man in Deutschland lebt. Man sollte (dadurch) zu schätzen wissen, wie gut es ist in einer Demokratie zu leben und dankbar dafür sein. Diese sollte beschützt werden. Es gehört für mich zur Allgemeinbildung dazu davon zu wissen und zu helfen, dass so etwas nicht wieder vorkommt. „

Dieter G., 67 Jahre alt, kommt aus Halle an der Saale, lebte damals in der DDR.

„Den Bau der Mauer habe ich als Kind miterlebt. Dennoch hat es für mich in dem Alter kein große Rolle gespielt. Leider hatte die Mauer Auswirkungen auf das Verhältnis und den Kontakt zu meinen Verwandten im Westen. Die Beziehungen wurden gekappt, wodurch ich keinen Kontakt geschweige denn ausgeprägtes Familienleben hatte, was sich bis heute leider nicht geändert hat.
Meine Oma haben wir einige Male im Westen besucht. Es erschien mir als Kind alles viel bunter und befreiter als bei uns. Die Häuser waren schöner und gemütlicher. Meine Oma hatte einen großen Garten. Sowas hatte niemand den ich kannte. Und ich hätte mir als Kind auch nie vorstellen können in einem Garten zu spielen. Wir lebten in einem Mietshaus. Es war grau gestrichen und eben ein Block, wie es sie heute noch gibt. Wir gingen dann auch häufig mit ihr einkaufen. Es war ein Paradies. All die Sachen die es dort gab und die Menge. Dennoch kann ich nicht sagen, dass mir zuhause etwas fehlte. Wir hatten alles, was wir brauchten. Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Brot, Fleisch, Butter, Milch und Käse waren bei uns relativ billig. Jedoch gab es keinen Überfluss. Ebene so viel, wie man auch brauchte. Leider mussten die Besuche aus finanziellen Gründen eingestellt werden, weshalb ich nicht mehr oft die DDR verließ.

Im Sommer gingen wir häufig schwimmen. Ich war oft bei Freunden, welche etwas außerhalb der Stadt wohnten. Um zu den kleinen Seen zu gelangen, fuhren wir durch die nahelugenden Schrebergärten. Es war unglaublich faszinierend wie die Menschen dort alles selbst anbauten. Nach dem schwimmen roch es dann immer nach Gegrilltem.Die Nachbarn eines Freundes hatten auch einen Garten und luden uns dann ein, mit ihnen zu essen. Von so einem Garten hatte ich immer geträumt.

Auch wenn es viele Vorurteile gegenüber der DDR gab und auch das Regime vielen Menschen das Leben zerstört hat, habe ich mich sehr wohl gefühlt, dort wo ich gelebt habe. Wir hatten keine Probleme, lebten unbeschwert und ich gebe zu, dass ich von vielen Dingen nichts mitbekommen habe und vielleicht auch nicht wollte. Es ging uns gut. Meine Eltern hatte beide einen festen Beruf, wir hatten zu Essen, ein Heim. Es hat alles gepasst.

Die Wende habe ich dann über die Medien mitbekommen. Wir saßen gemeinsam vor dem Radio. Auch unsere Nachbarn kamen und haben mitgehört. Es war kaum greifbar, dass die Mauer jetzt plötzlich weg war. Ein, zwei Tage spöter sind dann alle mit ihren Trabis in den Westen gefahren und haben sich ihr Begrüßungsgeld abgeholt. Es war für uns alle etwas Neues. Wir fuhren aber erstmal nicht. Wir wollten abwarten, bis sich der Trubel etwas gelegt hat. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass meine Eltern nicht so begeistert waren wie andere DDR-Bürger*innen. Sie waren zufrieden mit ihrem Leben und waren skeptisch gegenüber der Veränderungen. Als ich mit meinen Freunden die Tage wieder am See verbrachte, habe ich erst verstanden, dass mir jetzt ganz Deutschland offen stand und nicht nur der Fleck, wo ich lebte. Wir waren jetzt nicht mehr „eingesperrt“. Jedoch bemerkte ich bei den Gesprächen, dass mir die Mauer nie wie eine Schranke vorkam, die mich meiner Freiheit beraubte. Aber das empfanden wenige meiner Freunde so. Ich bemerkte, wie die DDR plötzlich immer schlechter da stand. Viele Westdeutsche bedeuteten uns um unser Leben und waren der Meinung, dass alles in unserem Staat nicht vernünftig oder human war. Ich informierte mich mehr über Dinge die in der DDR geschehen sind und war schockiert darüber, wie die Politik Menschen ins Verderben rissen und ihnen das Leben zerstörten. Dennoch gab es auch gute Seiten, die nicht vergessen werden sollten. Wir hatten vielleicht einfach Glück, dass wir so leben konnten, wie wir es wollten bzw. kannten und dass wir damit glücklich waren. Manchmal überlege ich ob Ostdeutschland als eigenständiger zweiter deutscher Staat, aber mit offenen Grenzen besser gewesen wäre. Viele Ostdeutsche haben sich nach der Wiedervereinigung von den Westdeutschen über den Tisch gezogen gefühlt und ich denke dies war auch so. Heute gibt es immer noch die Unterscheidung zwischen Ost und West und das ärgert mich oft. Ich habe immer gedacht, dass sich dies nach ein paar Generationen erledigt aber ich glaube nicht das dem so ist.

Ich denke man sollte mehr mit Respekt umgehen. Ich finde den Begriff „Ossi“ abwertend und verstehe nicht, warum man dies sagt. Rückblickend bin ich froh, dass sich die Wiedervereinigung so entwickelt hat. Auch wenn man dies politisch betrachtet. Es sind viele Menschen an der Grenze gestorben und wer weiß wie es sonst gekommen wäre. Es wurde schon viel geschafft, aber es ist auch noch viel zu machen. Es wollten beide Seiten der Geschichte betrachtet werden. Es gibt immer schlimme und gute Seiten, man sollte sich ein ganzes Bild davon verschaffen. Deshalb sollte weiterhin über die DDR informiert werden. Diese Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten.“

Ich habe euch zum Abschluss noch ein paar Links mitgebracht, wo ihr euch noch andere Berichte rund um die DDR durchlesen könnt. Haltet die Ohren offen. Vielleicht können euch ja Bekannte im nähren Umfeld vom Leben in der DDR berichten.

  • Mia

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