Stereotype Themen

Kinder- und Jugendbücher, die den Fokus auf die Zeit der DDR fokussieren, haben zum Ziel, die fiktionale Thematisierung von Geschichte oder zumindest den konkreten zeitgeschichtlichen Hintergrund kindgerecht darzustellen. Bei dieser Art von Geschichten gerät der Charakter der unterhaltenden Geschichtserzählung eher in den Hintergrund. Bestimmte didaktische Intentionen der Wissensvermittlung, der Reflexion über Möglichkeiten geschichtlichen Agierens und der emotionalen Beteiligung stehen hier besonders im Vordergrund. In der Kinder- und Jugendliteratur der DDR/BRD wird Kriegs- und Nachkriegsgeschichte häufig mit dem Fokus auf Flucht und Vertreibung der Bevölkerung aus den ehemaligen deutschen Ostgebiet zum Thema. Dabei stehen bis heute vielfach noch das Leid der deutschen Bevölkerung im Mittelpunkt, deren Opferrolle betont wird. Im Rückblick , auf die DDR- Diktatur finden sich nach Gansel ähnliche stereotype Themen. Beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Eindeutig zugewiesene Opfer- und Täterrollen, und die damit verbundene Dämonisierung der SED- Funktionäre, denen sich die DDR- Bevölkerung ausgesetzt sah. Deutlich wird das vor allem in Helen Endemanns Buch Todesstreifen. Hier wird die Stasi oft als Täter für das Leid verantwortlich gemacht. Die Opferrolle wird hier auch hauptsächlich von den Bürgern übernommen, die sich den Vorschriften fügen muss, da dies ansonsten Konsequenzen für sie hat. Widersetzte man sich diesen Vorschriften, wurden die Bürger dafür hart bestraft. Als Widerstandstopos bezeichnet Gansel ein ebenfalls aus der zeitgeschichtlichen Kinder- und Jugendliteratur bekannte Narrativ – Flucht und Ausreise. Sie bilden dominierende Motive. Helen Endemann behandelt dieses Thema sehr konkret in ihrem Roman. Die Figur Marc berichtet immer wieder über sein Fluchtmotiv und die Zustände in der Osthälfte, während Ben äußerst diskret über hauptsächlich negative Erlebnisse im Ostgebiet erzählt. Dadurch entsteht das Bild einer kriminellen Führung vor der die Bevölkerung zu fliehen versucht und von dieser dafür bestraft wird. Helen Endemann macht auf sämtliche Erfahrungen einer geschlossenen Gesellschaft aufmerksam. Der Protagonist Ben wird in der Geschichte also gewissermaßen in kürzester Zeit mit Erlebnissen versorgt, die schnell alle Begrenzungen einer Diktatur erkennen lassen. Die DDR stellt den Unrechtsstaat dar und die Bevölkerung die Widerstandskämpfer. Die BRD hingegen scheint das gelobte Land zu sein.

Laut einigen Rezensionen zum Buch Todesstreifen werden aus der Sicht der beiden Protagonisten abwechselnd Ost- und Westberlin authentisch beschrieben. Sie erleben die Unterschiede in den Systemen, in denen sie sich integrieren und nicht auffallen dürfen, um schwerwiegenden Strafen entgehen zu können. Da die Autorin die Erzählung abwechselnd aus der Perspektive von Ben und Marc in der Ich-Form erzählt, kann der Leser sich emotional beiden Protagonisten zuwenden. Durch die Differenzen des Systems und der verschiedenen Lebensweise, die immer wieder durch Irritationen zwischen den beiden Jungs Ausdruck finden, wird immer wieder deutlich, dass die beiden zwar beide Deutsch sind, aber deswegen noch lange nicht dieselbe Sprache sprechen. Eine Geschichte über eine Zeit, die den Jugendlichen von heute nicht mehr präsent ist. Die Autorin hat mit ihrem Buch ein Stück Geschichte für Jugendliche zugänglich gemacht, worüber heute nicht viele Menschen sprechen.

  • Anika

Literatur:

  • Gansel, Carsten (2010): Atlantiseffekte in der Literatur? Zur Inszenierung von Erinnerung an die verschwundene DDR. In: Dettmar, Ute; Oetken, Mareile (Hrsg.): Grenzenlos. Mauerfall und Wende in (Kinder- und Jugend-) Literatur und Medien. Heidelberg: Universitätsverlag Winter GmbH Heidelberg. S. 35-45.
  • Buch Todesstreifen von Helen Endemann

Eine Antwort auf „Stereotype Themen“

  1. Ein guter Rückblick auf das gelesene Buch „Todesstreifen“. Im Zusammenhang mit der Überschrift des Beitrages „Stereotype Themen“ hätte darauf noch ein wenig mehr eingegangen und diese vorhandenen Stereotype und Vorurteile direkt benannt werden können.
    Ansonsten aber ein sehr gelungener Beitrag, der vor allem das „schlechte“ und von der Stasi geprägte Bild der DDR verdeutlicht.

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