Fiktiver Brief aus der Sicht von Ben an seine Eltern über die Erfahrungen in der DDR

Hallo Mama und Papa,

ihr könnt euch nicht vorstellen, was mir passiert ist. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll. Zu Beginn – es geht mir gut, Mama! Es tut mir leid, dass ich nicht auf dich gehört habe als du sagtest, dass ich mir überlegen solle, ob ich wirklich im Osten am Wettkampf teilnehmen will. Bei meiner Ankunft im Osten fielen mir schon einige Dinge auf. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass wir in einem geteilten Land leben. Alles sah dort so anders aus als bei uns. So viel altmodischer. Die Schriftzüge an den Gebäuden, die ganzen Plakate mit verschiedensten Aufschriften über die Partei. Vor allem fielen mir auch die Autos auf. Hier standen total altmodische Autos rum, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich habe gelernt, dass diese kleinen Pastell- und Brauntönigen Autos sich „Trabis“ nennen. Ich kam mir sehr fremd dort drüben vor. Ich schämte mich regelrecht dafür, wenn ich an den Begriff „Feindesland“ dachte. Doch genau so fühlte ich mich. Nach meiner Entführung landete ich für einige Zeit in einem Jugendwerkhof. Dort werden wohl alle Kinder hingebracht, die etwas Böses angestellt haben. Etwas Böses, nach der Ansicht des Systems. Marc äußerte wohl des Öfteren öffentlich seine negative Meinung über das System und die Partei, was wohl der Auslöser des Besuches im Werk war. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie menschenunwürdig mit einem umgegangen wird, weil er eine eigene Meinung hat. Ich mein, bei uns ist das doch auch kein Problem. Wir dürfen doch immer unsere Meinung zu politischen Themen äußern, wenn wir uns ungerecht behandelt führen? In der DDR drüben war das scheinbar nicht so üblich. Die Strafe dafür war, dass ich jeden Morgen Frühsport betreiben musste. Es gab Tee und Brot und Ohrfeigen und Prügel, wenn man nicht spurte. Sogar bei Dingen, die ich selber nicht mal verstanden hatte. Wir mussten uns sogar täglich eine Nachrichtensendung namens „Aktuell Kamera“. Nach Beendigung der Nachrichten wurden wir dazu verpflichtet alles zu wiederholen, was dort erzählt wurde. Als wenn einem diese Meinung aufgezwungen wird. Ich hatte das Gefühl, dass diese Sendung einen reinen Propagandakampf darstellte. Ich wusste überhaupt nicht, wovon die dort sprechen, wofür ich im Nachhinein auch wieder eine Tracht Prügel bekam. Ich war in diesem Teil des Landes wie gefangen. Ich konnte nicht einfach zur Polizei gehen und denen erzählen, was passiert ist. Mir würde eh niemand glauben. Sie hätten vermutlich gedacht, dass ich einfach Republikflucht begehen möchte und ein Gegner des Systems bin. Ich hätte nicht mal alleine fliehen können. Alles ist dort drüben abgesichert durch Grenzstreifen. Man wird überwacht, ausspioniert und gezwungen jemand zu sein, der man vielleicht gar nicht sein möchte. Ihr Ziel ist es dich zu einem sozialistischen Menschen zu erziehen. Nach ihrer Idealvorstellung. Es ist eine reine Kontrolle der Menschen. Was ihnen verdächtig und staatsfeindlich vorkommt, wird untersucht und mit Inhaftierung bestraft.

  • Anika

Eine Antwort auf „Fiktiver Brief aus der Sicht von Ben an seine Eltern über die Erfahrungen in der DDR“

  1. Der Brief ist meiner Meinung nach gut gelungen.
    Er eröffnet einen Einblick in die Gefühlswelt von Ben und verdeutlicht, welchem Kulturschock er in der DDR ausgesetzt ist und wie dort alles gegensätzlich zum Westen abläuft, wie beispielsweise die Trabis oder die Prügelstrafe bei Ungehorsam. In seiner Heimat hingegen durfte man seine Meinung frei äußern und es wird deutlich, wie Ben sich in der DDR gefangen und handlungsunfähig fühlt.
    Insgesamt also eine gute Möglichkeit, um die Sicht von Ben noch besser verstehen und nachvollziehen zu können! 🙂

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